Die NSDAP und ihre Anhänger erließen 1933 zwei sogenannte „Gleichschaltungsgesetze“. „Auch solchen Ländern und Kommunen, in denen keine nationalsozialistischen Mehrheitsverhältnisse vorherrschten, wurde damit verordnet, dass die Volksvertretungen in den Parlamenten entsprechend dem Ausgang der Reichstagswahl zusammengesetzt werden sollten“, erklärt der Vorsitzende der SPD Bingen-Süd, Matthias Müller, der die Idee hatte, das Thema aufzugreifen. In einer Ausführungsverordnung vom 6. April wurde zusätzlich auch die Auflösung der Provinzial- und Kreistage sowie der Stadt- und Gemeinderäte verordnet.
„Diese Gleichschaltung bedeutete für die Stadt Bingen, dass u.a. der bisher amtierende Bürgermeister Dr. Sieglitz abgesetzt und durch das NSDAP-Mitglied Heinrich Ritter ersetzt wurde. Ebenso wurde Hr. Fritz Wagner durch Befehl der Kreisleitung als Beigeordneter eingesetzt“, ergänzt SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Hüttner, die damaligen Geschehnisse in Bingen. Die Demokratie wurde somit auch in Bingen verbannt und das NS-Regime institutionalisierte sich an den Schaltstellen der Stadt. „Dieses dunkle Kapitel unserer Stadtgeschichte soll uns mahnen, in Erinnerung bleiben und auch zukünftigen Generationen im Gedächtnis bleiben“, meint der Geschäftsführer der SPD im Stadtrat, Rouven Winter.
Die SPD beantragt daher im Stadtrat, dass an würdiger Stelle eine Gedenktafel o. ä. zur Erinnerung an jene Amtsträger und Stadträte anzubringen ist, die in Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ihr Mandat in Bingen verloren. „Die durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verfolgten und vertriebenen Amtsträger und Mitglieder des Stadtrats dürfen nicht vergessen werden“, meint Winter. Eine solche Tafel, die neben den Namen der Betroffenen einen Text des Gedenkens und der Mahnung trägt, solle ein ehrendes Andenken an diese Binger Bürger bewahren und künftige Generationen vor dem Verlust der Demokratie warnen. „Sie soll zur kritischen Befassung mit unserer Stadtgeschichte anregen und diejenigen Menschen würdigen, die sich unter schrecklichster Gefahren der Demokratie verdient gemacht haben“, so Hüttner abschließend.